Wie ich zur Autorin wurde


Eigentlich liegt der Ursprung schon viele Jahre zurück.

Ich wunderte mich öfter, welchen Mist die Verlage veröffentlichen. Noch mehr wunderte mich, wie viele Leute diesen Müll lasen. Da gab es Zeiten, in denen Kochbücher der Renner waren. Viele "Promis" versuchten, mit ihren kulinarischen Kreationen, ihre Mitmenschen zu vergiften. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, ein Kochbuch zu schreiben. Ich wusste, dass ich nicht kochen kann.

Dann kam eine Zeit, als gewisse Menschen der Meinung waren, sie müssten die Menschheit mit ihren Memoiren erfreuen. Eigentlich sollte man meinen, es interessiert kein Schwein, wer mit wem, warum, wie oft, wo, wie und wann. ABER! Klatsch und Tratsch stehen hoch im Kurs. Je schmutziger und abartiger, umso besser. Politiker ließen sich über ihre Gegner aus, selbst wenn sie aus dem eigenen Lager kamen. Eine Schauspielerin erzählte schadenfroh wie sie ihrer Konkurrentin selbstgebackene Schamhaarplätzchen als Diätfutter servierte. Ein Sangesknabe, mit Faltenwurf im Gesicht, zog in Gossensprache über seinen ehemaligen Sangespartner, sowie unzählige, ausgemusterte Bettgespielinnen her. Selbst Penisbrüche standen hoch im Kurs. Wer wem in die Kasse gegriffen hat und sogar wer wen, wo gestrafft hat, war heiß begehrt. Eine ehemalige Nachrichten-Lady machte sogar ihre Innereien der Öffentlichkeit zugängig. Dafür war mir mein Geld zu schade. 

Meine Freundinnen meinten, ich solle ein Buch schreiben und es besser machen. Genügend Phantasie hätte ich ja. Ein Buch schreiben? ICH? Dazu hatte ich keine Lust. Stattdessen schrieb ich für meine Patenkinder kleine Geschichten. Meine Freundinnen waren begeistert und verlangten: "Schreib doch auch  mal was für uns." Aber ich  hatte noch immer keine Lust.

Dann kam der Tag, der die Wende brachte. Ich saß mit meiner Nachbarin, die mir beste Freundin und Vertraute war, bei Kaffee und Kuchen auf der Terrasse. Sie hatte sich ein Buch gekauft, das in aller Munde war. In einer Nacht hatte sie es gelesen. Sie hatte sich mehr davon versprochen. Machte die Autorin doch bei jeder Gelegenheit Werbung dafür. Ein Pummel aus dem Fernsehen, hat da so seine Möglichkeiten. Erst recht, wenn's ums Abnehmen geht. 

Ein Wort gab das andere und schließlich war sie der Meinung, ich solle, nein, ich müsse, ein Buch schreiben. Ich wand mich wie ein Aal, aber es nützte alles nichts. Schließlich hatte sie mich soweit. Zum ersten Mal fand ich den Gedanken reizvoll. Sie schmiedete das Eisen, solange es heiß war.

In den tollsten Farben, malte sie mir die Zukunft dieses Buches aus. Die Verlage würden sich darum reißen. Es würde weggehen wie warme Semmeln. Schließlich würde sich auch Hollywood dafür interessieren. Das Drehbuch würde ich mit links schreiben. Der Film, den die in L.A. daraus machen, würde die Kassen sprengen. Und schließlich würde ich den Oscar für das beste Buch bekommen. Wir würden dann gemeinsam nach L.A. fliegen, um das goldene Männchen abzuholen.

Wir lachten an diesem Tag besonders viel. Ich musste ihr versprechen, noch am selben Tag mit dem Projekt Hollywood anzufangen. Zu Hause erzählte ich meiner besseren Hälfte davon. Der zuckte nur die Schultern und meinte: ""Na, dann mach mal!"

So fing ich an. Richtig Lust hatte ich nicht. An manchen Tagen tat ich nichts. An anderen war ich fleißiger. Ich hatte genug anderes zu tun. Außerdem hatten wir einen herrlichen Sommer. Aber meine Nachbarin war unerbittlich. Immer wieder musste ich über den Stand des Projekts berichten. Sie legte eine Beharrlichkeit an den Tag, die ich sonst nicht von ihr kannte. Und dann erfuhr ich, warum. Sie hatte Krebs. Einer der bösartigsten Sorte. Wir wussten beide, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte. Ich musste ihr versprechen, in Zukunft mehr Zeit für das Projekt aufzuwenden. Es zu vollenden und zu veröffentlichen. 

Ich schrieb gegen die Zeit. Sie wollte es noch lesen. Wir wussten, es würde nie dazu kommen. Keiner sprach darüber. Von Tag zu Tag ging es ihr schlechter. In jeder freien Minute, setzte ich mich an den Computer. Ich schrieb bis in die Nacht hinein. Immer in der Hoffnung, dass ich es noch rechtzeitig schaffe.

Der Tod war schneller. Sie starb, bevor ich fertig war. Am Abend ihres Todes, setzte ich mich trotzdem an den Computer. Ich hatte es ihr versprochen und ich brauchte eine Ablenkung. An diesem Abend erkrankte eine Figur aus dem Buch an Krebs. So war es nicht geplant, aber ich musste den Verlust verarbeiten. 

Ich suchte im Internet nach Verlagen, denen ich ein Probekapitel schicken wollte. Meine bessere Hälfte war guter Dinge. Er glaubte, dass das Interesse groß sein würde. Ich war da nicht so sicher. 

Während ich auf Antwort wartete, schrieb ich weiter. Rückläufer Nummer eins war bereits nach ein paar Tagen da. Das beiliegende Schreiben ein Standartbrief. Er enthielt nicht mal eine persönliche Anrede. Leider.., kein Werturteil.., zu viele Angebote.., und, und, und. Nicht mal reingeschaut hatten sie. Vielleicht hätte ich nicht erwähnen sollen, dass es sich um mein Erstlingswerk handelt. Aber ich bin eben ehrlich.

In den nächsten Wochen trudelten immer mehr Rückläufer ein. Immer nette, freundliche Absagen. Immer die gleiche Leier. Leider.., keine Möglichkeit.., kein Werturteil.., danken für Ihr Vertrauen.., schön, dass Sie an uns gedacht haben.., freundliche Grüße. Die Probekapitel waren jungfräulich. Kein Knick, kein Eselsohr, unbesehen - war nicht zu übersehen. Ich schrieb trotzdem weiter. Es wurde Weihnachten und ich hatte keine Lust mehr aufs Schreiben. Mein innerer Schweinehund meldete sich. Ich brauchte dringend eine Pause. 

Im neuen Jahr faulenzte der Schweinehund weiter. Im Laufe der Zeit trudelten immer mehr Probekapitel ein. Einige kamen sogar gelesen zurück, mit Bemerkungen wie: gut, nehmen aber keine neuen Autoren ins Programm.., müssen bestehende Verträge erfüllen.., sehr ansprechend, aber leider sind sie Neuling, ansonsten, nach erfolgreicher Erstpublikation! ...

Im März die Überraschung! Ein weißes Kuvert mit einem persönlichen Anschreiben. Er (der Lektor) hatte Exposé und Probekapitel gelesen. Sehr interessant, mal was ganz anderes. Er wäre interessiert. Ich solle bitte den Rest des Manuskripts schicken. Upps! Den Rest schicken! Der war noch nicht fertig. Es fehlten noch ungefähr hundert Seiten. Nun war Eile angesagt. Drei Tage später war das Manuskript fertig. Ich kopierte alles und das Paket ging auf die Reise. 

Vierzehn Tage später das nächste weiße Kuvert. Ein kleiner Verlag, an dessen Adresse ich zufällig kam. Der Lektor war begeistert. Mitreißend geschrieben, Spannung ab der ersten Seite, blablabla. Aber das dicke Ende kam noch. Schwieriger Buchmarkt.., setzt Beteiligung an den Publikationskosten voraus. Das Angebot war gleich dabei. Ich musste mich setzen. Achttausend Euro! Ich wollte ein Buch herausgeben, keinen Verlag kaufen. Die Nachrichten-Lady hatte sicherlich keine solchen Problem. Sie bekam wohl ein mehrstelliges Honorar.

Kurze Zeit später, kam das zuerst angeforderte Manuskript wieder zurück. Zwei Tage später rief der Lektor an. Ob ich inzwischen mein Manuskript wieder zurück hätte? Das hatte sowohl ihm, als auch seinem Chef gut gefallen. Der Text habe gute Strukturen. Interessanter Stoff. Faszinierend und wert ein Buch daraus zu machen. ABER! Ein absoluter Neuling! Das Risiko war dem Chef letztendlich zu groß. Leider! Er aber fand, das Buch müsse veröffentlicht werden und wies mich auf Book on Demand hin. 

Nach langem Zögern beschloss ich mir eine Autorenmappe zu bestellen. Das war's dann. Die Mappe lag monatelang im Schrank. Ich hatte einfach keine Lust mehr. Das Projekt Hollywood hatte ich abgehakt. Ich wollte die Sache einfach vergessen. Aber meine bessere Hälfte brachte die Sache immer wieder zur Sprache. Es war nervtötend. Schließlich erinnerte er mich an mein Versprechen. Ich gab nach und holte die Autorenmappe aus dem Schrank. 

Viel wollte ich nicht ausgeben. Ich hatte ja keine Ahnung, ob es erfolgreich wird. Ob es überhaupt einen Käufer findet. Ich suchte mir die günstigste Variante. Aber ich war kein Computerfreak. Da fiel mir ein alter Freund ein. Der machte das beruflich, hatte eine eigene Firma. Er ist ein außergewöhlicher Mensch. Bei ihm war das Buch in guten Händen. Er entwarf das Cover, formatierte den Text und machte den Umbruch.

Das Buch wurde gedruckt. Der Verlag meldete den Titel für die Leipziger Buchmesse. Nun konnte man es in allen Buchhandlungen kaufen. Es war schon ein seltsames Gefühl, das eigene Buch in Händen zu halten.

Die Werbung gestaltete sich schwierig. Wer will schon ein Buch von einem Namenlosen? Nun ja, namenlos bin ich ja nicht. Ich habe einen Namen, aber keinen bekannten. Ich bin keine Nachrichten-Lady, kein Blond-am-Freitag-Biest. Ich habe nie Deutschland regiert (obwohl ich den Mist auch noch hinkriegen würde), ich moderiere keine Talk-Show und habe keinen Herbert zum Bruder. Ich bin kein Sportler, Schauspieler, Politiker oder Sänger. Ich bin ein ganz normaler Mensch. Wie soll ich es da schaffen,  dass Deutschlands größtes Boulevardblatt Werbung für mich macht?

Auch in Talk-Shows werde ich nicht eingeladen. Sie sind nur Werbeplattform für Promis, die ein Buch geschrieben haben. Über deren Ergüsse lässt sich bekanntlich streiten. Ob selbst geschrieben oder von Gosthwritern verfasst ist dabei ergal. Die Medien steigern den Absatz enorm. Leider bietet sich dem kleinen Mann (Frau) diese Möglichkeit nicht.

Ich habe ein Buch geschrieben, eigenhändig und ohne fremde Hilfe. Da war die Sache mit der Werbung doch ein Kinderspiel. Ich musste nur dafür sorgen, dass die Menschen davon erfuhren. Mund zu Mund Propaganda ist gut und kostet nichts. Das funktionierte prima, rief aber leider auch Neider auf den Plan. Ein besonders neidisches Weib rief sogar zum Boykott des Buches auf. Ein Sprichwort sagt. "Mitleid bekommt man umsonst, Neid muss man sich verdienen." Warum sollte ich mich darüber aufregen? Was kann ich für die Dummheit von anderen? Dass sich Neid aber steigern kann, hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht geahnt. Ich wurde eines besseren belehrt. Die Zeit, die folgte, war der pure Horror.

Am schlimmsten Tag meines Lebens kam die große Überraschung. Vito von Eichborn wollte das Buch in seine Edition aufnehmen. Ich konnte es kaum fassen. Er fand mein Buch stark. Wen interessierte es da noch, was ein paar Idioten sagen, die es nicht mal gelesen haben? Natürlich sagte ich zu. Wer lässt sich so eine Chance schon entgehen?

Dann ging alles ganz schnell. Ein Lektor kümmerte sich um ein paar klitzekleine Korrekturen. Im Verlag entwarf man das neue Cover. Das Buch bekam einen neuen Titel. Inzwischen ist mein Baby, im neuen Gewand, in allen Buchhandlungen zu haben. Die Werbetrommel wird jetzt vom Verlag gerührt. Im September wurde es Buch des Monats. Auf der Frankfurter Buchmesse wurde es als neuestes Buch der Vito von Eichborn Edition vorgestellt. Ich habe mein erstes Interview gegeben, dem noch viele folgen sollten. 

Nun ist das Projekt Hollywood beendet. Es hat mehr als nur einen Käufer gefunden. Die Verkaufszahlen haben meine Vorstellungen bei weitem übertroffen. Es wird es wohl nie nach Hollywood schaffen. Aber das ist egal. Ich habe mein Versprechen gehalten. Ich habe ein Buch geschrieben und veröffentlicht. Schade, dass sie es nicht mehr erlebt hat. Sie fehlt mir!